Von berühmten Berliner Salonièren Ein musikalisch – literarischer Abend beim 161. Emporenkonzert

Gelsenkirchen – Die Salonkultur vom 18. Jahrhundert bis zur Weimarer Republik mit Musik und Texten von Henriette Herz, Fanny Mendelssohn und Mascha Kaleko: „Sonntagsmusiken“ beim Emporenkonzert in der Nicolai – Kirche.

Die 1764 in Berlin geborene Jüdin Henriette Herz gründete um 1780 den ersten Literatursalon Berlins, der hier mehr als zwei Jahrzehnte hindurch zum Mittelpunkt des intellektuellen Lebens wurde.

Kreiskantor Andreas Fröhling hat die Emporenkonzerte in Gelsenkirchen ins Leben gerufen.

Aleksandar Filic und Karin Badar ließen beim Emporenkonzert Salonkultur lebendig werden.

Ihr Mann Marcus Herz, ein jüdischer Arzt, betrieb nebenan Gesprächskreise zu wissenschaftlichen und philosophischen Themen. Und auch, wenn die Frauenzirkel zunächst eher belächelt wurden, so war es doch Henriette, die unterschiedliche Gesellschaftskreise und literarische Strömungen zusammenbrachte. Schiller, Friedrich Schleiermacher, die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt, Friedrich Schlegel, sie alle verkehrten in Henriettes Kultursalon, der bald gar als Berliner Sehenswürdigkeit eine große Anziehungskraft entwickelte.

Doch dass erfolgreiche Frauen in jener Zeit um ihre Anerkennung stets kämpfen mussten, zeigten die Lieder und Gedichte, die Karin Badar beim 161. Emporenkonzert in der Nicolai – Kirche sehr beeindruckend zu Gehör brachte. So heißt es etwa im Gedicht „Die Leistung der Frau in der Kultur“ von Mascha Kaleko: Petrarcas Seele, weltentzückt, ging ans Sonette-Stutzen ganz unbeschwert von Pflichten, wie etwa Gemüseputzen. Doch schlug es Mittag, kam auch er, um seinen Kohl zu essen, beziehungsweise das Äquivalent in römischen Delikatessen. Gern schriebe ich weiter in dieser Manier, doch muss ich, wie stets, unterbrechen. Mich ruft mein Gemahl, er wünscht mit mir sein nächstes Konzert zu besprechen.

Auch der Komponistin, Pianistin und Dirigentin Fanny Mendelssohn, 1805 in Hamburg geboren, wurde eine musikalische Karriere von der Familie untersagt. Dennoch entfaltete sie ein vielfältiges musikalisches Schaffen und begründete in Berlin mit den „Sonntagsmusiken“ einen Raum, in dem auch ihre eigenen Werke erklangen. Auch ihre Großtante Sara Levy trat als Cembalistin auf und veranstaltete in Berlin um 1800 herum musikalische Salons.

Beim Konzert in der Nicolai-Kirche beeindruckte Aleksandar Filic am Klavier. Er begleitete Badar bei den vorgetragenen Liedern und setzte etwa mit Fanny Mendelssohns „Lied für Pianoforte“, gefolgt von Felix Mendelssohns „Lied ohne Worte“ wunderbare musikalische Akzente.

Sängerin Karin Badar erschien nach einer kleinen Pause mit feuerroter Boa, kess um die Schultern geschwungen, und trug das Chanson „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ von Friedrich Hollaender vor.

In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts entstand in Berlin das Romanische Café. Auch Mascha Kaleko gehörte hier zum Kreis der schöpferischen Bohème, die sich dieses Café zum Treffpunkt erkoren hatten. Ringelnatz, Kästner, Tucholsky und Brecht etwa saßen hier, diskutierten, dichteten, bis die meisten von ihnen in die innere oder äußere Migration gingen. Auch die jüdisch – stämmige Mascha Kaleko emigrierte 1938 nach New York.

Karin Badar und Aleksandar Filic boten in der Nicolai – Kirche einen gelungenen Einblick in die Salonkultur Berlins, die vorwiegend von jüdischen Frauen betrieben wurde. Die Veranstaltung fand im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ statt.

Kreiskantor Andreas Fröhling, der als künstlerischer Leiter diese besondere Konzertreihe vor vielen Jahren in der Nicolai – Kirche ins Leben gerufen hat, war diesmal als Gastgeber dabei. Beim nächsten Emporenkonzert, am 15. April, werden dann Studierende der ökumenischen C-Musikerausbildung Einblick in ihr musikalisches Schaffen geben.  FHR

 

Text: Frauke Haardt-Radzik
Fotos: Cornelia Fischer