In allen vier Ecken soll Liebe drinstecken! ThomasMesse in der Altstadtkirche

Gelsenkirchen – „Liebe ist Leben“, „Gottes Liebe ist wie die Sonne“, „Alles ist möglich dem, der liebt“. Schon bevor es offiziell losgeht, versammeln sich in der Altstadtkirche viele Besucher und Besucherinnen zum Einsingen. Kirchenmusiker Ingmar Stiller begibt sich an den Flügel und legt los. Passend zu diesem Gottesdienst studiert er mit den Anwesenden, natürlich, Liebeslieder ein.

Kreative Auszeit: Wer wollte, konnte ein ganz persönliches Lebkuchenherz aus Pappe basteln.

Kirchenmusiker Ingmar Stiller (r.) erwartete am Flügel singfreudige Gäste.

Eine Thomasmesse geht dem Namen nach auf den Jünger Thomas, den Zweifler zurück. Und auch dieser Gottesdienst in der Altstadtkirche möchte ausdrücklich Zweifler, suchende Menschen, die ihren Glauben neu entdecken wollen, ansprechen, die mit den üblichen Gottesdiensten und ihrem durchstrukturierten Ablauf nicht recht etwas anfangen können. Und es ließen sich viele Menschen ansprechen! Ganz gewiss auch von dem besonderen Thema gerade dieser Messe.

„Ob du frisch verliebt bist oder schon lange oder schon lange nicht mehr, ob du deine Familie liebst oder deine Katze oder diesen einen bestimmten Menschen, ob du deine Nächsten liebst oder Jesus oder deinen Teddy von früher“ – so stand es in der Einladung. Wer die Kirche betrat, erhielt am Eingang eine Kerze und ein Liedheft. Die Kerzen gesellten sich im Laufe des Gottesdienstes zu vielen anderen im Altarraum und erleuchteten so ein dort aus weißem Stoff gestaltetes, auf den Stufen ausgebreitetes Kreuz.

„In allen vier Ecken soll Liebe drinstecken“, formulierte Dirk Blum, Vorsitzender des Presbyteriums, der ganz kurzfristig für die erkrankte Pfarrerin Nina Ciesielski eingesprungen ist, in seiner Kurzpredigt. Er erinnerte damit an den Eintrag in sein Poesiealbum vor vielen Jahren. Den Versuch, Liebe zu googeln, verwarf er rasch wieder. Stattdessen trug er ein Gedicht von E.E. Cummings vor, das für ihn eng mit seiner eigenen Hochzeit verbunden ist. Darin heißt es: „Hier ist das tiefste Geheimnis, um das keiner weiß. Hier ist die Wurzel der Wurzel und die Knospe der Knospe und der Himmel des Himmels, eines Baumes namens Leben; Der höher wächst, als die Seele hoffen, der Geist verbergen kann. Und dies ist das Wunder, das die Sterne in ihren Bahnen hält. Ich trage dein Herz. Ich trage es in meinem Herzen.“

Und dann waren die Gottesdienstbesucher und Besucherinnen selbst gefragt. In allen vier Ecken, aber auch im Turm gab es ganz unterschiedliche Aktionen rund um das Thema „Liebe“. So konnten Herzen aus Pappe gebastelt und mit persönlichen Aufschriften versehen werden, „Einwurf nur für Liebesbriefe“ stand ein paar Meter weiter auf einer Box, an der nächsten Station konnten Fürbitten notiert werden, im Altarraum erhielt, wer mochte, seinen persönlichen Segen, im Turm der Kirche wurde miteinander geschwiegen, an einer Stellwand gab es ein Museum der Liebe und Musiker Ingmar Stiller erwartete am Flügel singfreudige Besucher. „I will always love you / Dat du min Leevsten büst / Can you feel the love tonight“, wurden aus dem Repertoire ausgesucht. Stillers Favorit, „Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling,“ wurde leider nicht gewünscht, bedauerte er schmunzelnd.

Immer wieder bewegten sich die Anwesenden in der Kirche hin und her.

In der Liebesbrief - Schreibeecke ging es ruhiger zu. Wer sich traute und den fertigen Brief mit einer Adresse versah, kann nun hoffen, dass die Zeilen auch ankommen werden. „Das werden sie bestimmt“, freute sich Wolf- Rainer Borkowski, ehemals Pastor in der Altstadtkirche. Er hat den Liebesbrief an seine Frau gleich mit nach Hause genommen. „Sie wird ihn im Postkasten finden,“ lächelte er.

Zum gemeinsamen Abendmahl kamen dann alle wieder zusammen. „Möge die Straße uns zusammenführen“, mit dem irischen Segenslied endete ein recht langer, aber außergewöhnlicher Gottesdienst in der Innenstadtkirche. Die nächste Thomasmesse, dann zu einem neuen Thema, ist für den 26. Oktober geplant. 
 

Text: Frauke Haardt-Radzik
Fotos: Cornelia Fischer